Einführung in die systemische Traumapädagogik
Kinder mit traumatischen Vorerfahrungen fordern Fachkräfte in besonderer Weise heraus. Ihre Toleranz für Erregung und Anspannung, aber auch Entspannung, erscheint erheblich vermindert und oft braucht es nur eine Kleinigkeit, um eine Lawine von Verhaltensauffälligkeiten unaufhaltsam in Gang zu bringen. Traumata wie Gewalt, sexuelle Misshandlung, psychische Erkrankung der Eltern, Unfälle und Tod haben spezifische Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche. Diese können jedoch individuell sehr unterschiedlich sein. Die Spuren, die sie hinterlassen, sprengen oft den Rahmen unserer professionellen und persönlichen Möglichkeiten und erfordern eine traumspezifische Sichtweise und traumapädagogische Methoden.
Im Seminar erarbeiten wir, wie die traumatischen Erlebnisse im Kontakt mit den Kindern und deren Eltern berücksichtigt werden können. Der Blick auf das gesamte Familiensystem ermöglicht auch die Dynamik der mehrgenerationalen Auswirkung von Trauma zu berücksichtigen. Außerdem erleben Sie wie eine Pädagogik des sicheren Ortes in der Praxis umgesetzt werden kann. Im Seminar werden wir neben den Grundlagen der Traumapädagogik Methoden der systemischen Beratung traumasensibel adaptieren.
Methoden:
Neben kurzen Inputs zu den Inhalten und Methoden einer systemisch orientierten Traumapädagogik, stehen die Stärkung der eigenen Haltung und des Umgangs mit traumatischen Ereignissen und Traumafolgestörungen bei Familien im Mittelpunkt. Dazu wird es die Möglichkeit geben eigene Fälle einzubringen. Anhand der Fallberatungen, wird die Theorie direkt auf die Praxis bezogen.
Weiterbildung Systemische Traumapädagogik
Zielgruppe
Pädagogische Fachkräfte aus Jugendhilfe, Kita, Schule und OGS
Umfang der Weiterbildung
Die Weiterbildung setzt sich aus 8 Modulen (je 2 Tage) zusammen. Die Module bauen aufeinander auf und greifen ineinander. Alle Module bestehen aus Theorieanteilen sowie der Möglichkeit zur Fallbesprechung, praktischen Umsetzung und Selbsterfahrung. Diese Teile werden jeweils abhängig zu den Anliegen der Teilnehmenden gestaltet.
Die Grundsätze der Traumapädagogik gelten auch für die Seminartage: Das Seminar als sicherer Ort für die TeilnehmerInnen, in dem alle Seminarthemen Angebote sind, und die Teilnehmenden entscheiden, wie weit sie ein Angebot für sich nutzen möchten.
In den Peergruppen sollen die Inhalte der Module reflektiert und vertieft werden. Die Peergruppen dienen zur gegenseitigen Unterstützung bei der Fall- und Projektarbeit. Die Peergruppentreffen sollten sich insgesamt auf mindestens 16 Unterrichtsstunden belaufen.
Zusätzlich zu den Modulen finden Supervisionstreffen im Umfang von insgesamt 24 UE statt.
Ergänzend zu den Modulen treffen sich die TeilnehmerInnen in festen Peergruppen. Für einen qualifizierten Abschluss ist die Teilnahme an allen Modulen, den Peergruppentreffen und der Supervision sowie die Ausarbeitung und Vorstellung einer Falldarstellung und einer Projektarbeit notwendig.
Die Falldarstellung und die Projektdokumentation erfolgt schriftlich, sollte mindestens 10 DINA4 Seiten umfassen jedoch 20 DINA4 Seiten nicht überschreiten.
Inhalte der Weiterbildung
Modul I: Einführung in die systemische Traumapädagogik
Dieses Modul ist auch separat buchbar. Alle TeilnehmerInnen die dieses Modul bereits in den letzten Jahren besucht haben oder eine vergleichbare Fortbildung belegen können, steigen im zweiten Modul ein.
Traumadefinition und deren Bedeutung für der Arbeit mit Kindern/Jugendlichen und deren Familien
Traumakategorien
Definition von Dissoziation und Auswirkungen auf die pädagogische Arbeit
Transgenerationale Weitergabe psychischer Traumatisierung
Traumaverarbeitung einschl. Schutz- und Risikofaktoren zur Unterstützung/Behinderung
natürlicher Verarbeitungsprozesse, Resilienz, Salutogenese
Traumafolgeproblematiken, Spektrum der Traumafolgestörungen einschließlich dissoziativer
Störungen
Theorie der strukturellen Dissoziation, Ego State Theorie
Besonderheiten des Traumagedächtnisses
Grundlagen der Traumapädagogik
Basisstrategien traumazentrierter Pädagogik und Beratung im systemischen Kontext
Ressourcenorientierte Traumapädagogik
Pädagogik des sicheren Ortes
Traumapädagogische Haltung
Traumasensible Elternarbeit
Zusammenarbeit mit anderen Fachkräften
Selbstfürsorge – Arbeitsgesundheit
Modul II: Bindung und Trauma
Umgang mit Trauma im Kontext von Gewalt, Vernachlässigung, Flucht und Migration
Im zweiten Modul starten die TeilnehmerInnen als Gruppe, die für die weiteren 7 Module zusammenbleibt. Es können nach diesem Modul keine neuen TeilnehmerInnen aufgenommen werden. Deshalb ist in diesem Modul Zeit eingeplant für ein Kennenlernen der TeilnehmerInnen und die Bildung der Peergruppen, sowie Rücksprache über die Fall und Projektarbeit. Die Supervisionstreffen werden in diesem Modul vereinbart.
Bindungsmuster, Bindung und Trauma
Methoden und Haltung einer bindungsorientierten Pädagogik
Traumadynamiken erkennen und verstehen
Gewalt und sexuelle Gewalt im Familiensystem
Trauma, Krieg, Flucht und Migration
Reflexion der beruflichen Rolle in Bezug auf die eigene Biographie
Professionelles Selbstverständnis: Rollenklarheit, Motivklärung, Gefühle und Persönlichkeit
Vertiefung einer traumasensiblen Haltung
Basisstrategien traumazentrierter Arbeit bei akuten und komplexen Traumatisierungen
Mitbestimmung/Partizipation/Selbstbemächtigung
Bindungsarbeit unter Berücksichtigung institutioneller Rahmenbedingungen/
gesellschaftlicher Haltungen und Entwicklungen/ Gender- und Kultursensitivität
Beziehungsaufbau und -gestaltung unter Berücksichtigung traumaspezifischer
Beziehungsdynamiken
Selbstwahrnehmung – Selbstkontrolle – Selbstwirksamkeit als Grundlage der
Resilienzentwicklung
Institutionelle Bedingungen traumaspezifischer Bindungsarbeit
Selbstfürsorge und MitarbeiterInnenfürsorge
Selbstwahrnehmung, Selbstkontrolle
Belastungsanalyse und Strategien der Entlastung
Angemessener Umgang mit Gewalt, Schutz vor Gewalt
Strukturelle Voraussetzungen der Selbstfürsorge
Modul III: Stabilisierung in der pädagogischen Arbeit mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen
Strukturelle Voraussetzungen für Stabilisierung
Die Institution als sicherer Ort für MitarbeiterInnen und KlientInnen; Partizipation und
Selbstbemächtigung
Soziale Stabilisierung
Schaffung einer möglichst sicheren äußeren Umgebung
Körperliche, soziale und psychische Stabilisierung der Kinder im Alltag
Unterbrechung von bzw. Umgang mit TäterInkontakt
Systemisches Arbeiten mit Bezugspersonen und Bezugsgruppen (z.B. Wohngruppe, Schule,
Familie, Pflegefamilie)
Beziehungsgestaltung in traumabelasteten Kontexten
Mobilisierung sozialer Ressourcen
Netzwerkarbeit/Kooperation und Versorgungsstruktur
Modul IV: Traumapädagogische Methoden zum diagnostischen Fallverstehen und zur Begleitung der Kinder im Alltag
Systemische Beratungsmethoden traumasensibel adaptiert
Einführung in sozialpädagogische Diagnosemöglichkeiten
Kontextangemessene traumaspezifische Anamnese (einschl. Ressourcenerhebung)
Kontextangemessene traumaspezifische Diagnostik (Probleme der Diagnostik; spezielle
Möglichkeiten/Methoden der Erfassung psychotraumatischer Beeinträchtigungen)
Anwenden von traumazentrierter Fallbesprechung und traumapädagogischer Diagnostik
Einüben traumazentrierter Grundhaltungen und Beziehungsgestaltungen
Methodische Ansätze zur Umsetzung der traumasensiblen Haltung für die pädagogische
Praxis (z.B. Umgang mit Regeln, Gewalt, Partizipation)
Bindungsfallen, korrigierende Beziehungsgestaltung und traumapädagogische
Handlungsansätze zur Förderung der Bindungsfähigkeit
Traumapädagogische Gruppenarbeit: Wechselwirkung von Traumafolgen und
Gruppendynamik; Einfluss sozialer Angst, Methoden der Gruppenreflexion
Phasen-Modelle traumazentrierter Intervention
Umsetzung und Erprobung traumapädagogischer Methoden
Modul V: Falldarstellungen und traumasensible Beratung von Familiensystemen
Falldarstellung und Reflexion
Traumasensible Elternarbeit
Methoden für die pädagogische und beratende Arbeit mit Familiensysemen
Methoden und Funktionen der Biografiearbeit
Traumaspezifische Beziehungsdynamiken
Umgang mit Triggern und Flashbacks bei Eltern
Strukturelle Dissoziation und Ansätze der Ego State Therapie in der pädagogischen Arbeit
mit Eltern
Kooperation mit anderen Institutionen
Modul VI: Körperliche Stabilisierung und Selbstfürsorge
Körperliche Stabilisierung
Basale Selbstfürsorge
Selbstregulation
Einfache Entspannungstechniken
Techniken zur Körpersynchronisation und -integration
Traumapädagogische Stabilisierung
Selbstbemächtigung (Selbstverstehen, Selbstakzeptanz , Sinnes- und Körperwahrnehmung, Selbstregulation)
Resilienzförderung
Unterstützung und Stabilisierung durch das Team
Praxis und Reflexion der Selbstfürsorge
Erkennen und Reflexion eigener emotionaler Reaktionen und Handlungsmöglichkeiten
Sekundäre Traumatisierung und Mitgefühlserschöpfung
Möglichkeiten zur Stärkung der Resilienz und Salutogenese
Reflexion der eigenen Rolle
Modul VII: Begleitung von Traumaprozessen und psychische Stabilisierung
Unterstützung/Begleitung spontaner Traumaverarbeitungsprozesse
Distanzierungs- und kognitive Rekonstruktionstechniken
Systemische Interventionsstrategien
Begleitung im Prozess der Integration und Neuorientierung: Trauern und Abschiednehmen,
Sinnfragen, Erwerb neuer Fertigkeiten
Auswirkungen von Unfällen, Krankheit und Tod auf das Familiensystem
Aufgreifen der Themen im Alltag
Kognitive Techniken (Verändern dysfunktionaler Überzeugungen, Bearbeiten von Schuld und
Scham)
Imaginativ-hypnotherapeutische Techniken mit Basisübungen zur Visualisierung und
Externalisierung
Arbeit mit inneren Anteilen
Distanzierungs- und Kontrolltechniken
Selbstberuhigungs- und Selbsttröstungstechniken (Arbeit mit „inneren“ Ressourcen)
Screen-Technik zur Verstärkung und Verankerung real erlebter positiver Zustande (Arbeit
mit „äußeren“ Ressourcen)
Voraussetzungen und Möglichkeiten interaktioneller Elemente der Stabilisierung
Erkennen und Reflexion eigener emotionaler Reaktionen und Handlungsmöglichkeiten unter
Berücksichtigung traumaspezifischer Beziehungsdynamiken (auch im Team)
Traumaspezifische Kriseninterventionen bei dissoziativen Zuständen, selbstschädigendem und suizidalem Verhalten (einschl. Möglichkeiten und Indikationen zur Weiterverweisung)
Umgang mit Traumaverarbeitungsprozessen in verschiedenen Arbeitskontexten einschl. Möglichkeiten und Grenzen sowie Indikationen für Weiterverweisung
Modul VIII: Projektvorstellungen / Trauma und Organisation / Abschied
Projektvorstellungen der einzelnen TeilnehmerInnen
Traumadynamiken im Team und in der Einrichtung
Resiliente Führungs- und Einrichtungskultur, achtsame Organisationskultur
Reflexion der eigenen Position im Team
Traumasensibles Arbeiten in Organisationen
Zertifizierung und Abschluss der Weiterbildung